Karin Frech, Geschäftsführerin der Fab gGmbH, kommt auf der Diskussionsveranstaltung »Gleiche Rechte für alle« zu Wort. Mit dieser Zeitung spricht sie über bisher Erreichtes und Herausforderungen.

Unter dem Titel »Gleiche Rechte für alle – dafür stehen wir!« lädt die Gemeinde Glauburg für kommenden Dienstag, 23. September, zu einer Diskussionsveranstaltung ein. Ab 19 Uhr geht es in der Kulturhalle Stockheim um zentrale Fragen der Gleichberechtigung. Eingeladen sind alle, die mit Expertinnen und Experten aus Gesellschaft und Verbänden ins Gespräch kommen möchten. Eine der Stimmen auf dem Podium ist Karin Frech, Geschäftsführerin der Fab gGmbH. Mit dieser Zeitung spricht sie über gleiche Löhne und gleiche Rechte. In der Kulturhalle möchte sie für mehr Bewusstsein sorgen, was Frauenthemen angeht.

Frau Frech, könnten Sie sich kurz vorstellen und den Schwerpunkt der Fab gGmbH erläutern?

Ich bin Geschäftsführerin der Fab gGmbH. Fab steht für Frauen, Arbeit, Bildung und ist aus der Frauenrechtsbewegung entstanden. Wir engagieren uns mit 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verschiedenen sozialen Projekten. In einigen Gremien im Wetteraukreis vertrete ich die Frauenrechte.

Warum ist Gleichberechtigung gerade heute wichtig – auch im Kontext der anstehenden Interkulturellen Woche?

Weltpolitisch betrachtet ist Gleichberechtigung absolut wichtig. Es gibt immer noch 50 Länder mit stark benachteiligten Frauen.

Warum eigentlich immer noch?

Traditionen, keine gute Kinderbetreuung. Die besten Geschäfte werden bei uns abends an der Theke gemacht. Da sind Frauen nicht dabei. Es gibt eine gläserne Decke für Frauen, was Aufstiegsmöglichkeiten angeht.

Gibt es Gegenstimmen?

Natürlich. Diskussionen in Gremien werden oft sehr konservativ geführt. Männer sehen sich da nach wie vor in der Entscheidungsfunktion. Es gibt immer noch Strömungen, die verhindern wollen, dass Frauen in höhere Positionen kommen.

Welche Hoffnungen setzen Sie in Veranstaltungen wie den anstehenden Diskussionsabend?

Viel Hoffnung. Je öfter wir darüber reden, umso mehr können wir Frauen überzeugen, dass sie über ihre Zukunft allein entscheiden können. Sie müssen allerdings auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Dafür möchte ich mehr Bewusstsein schaffen.

Reden wir über den Status quo: Wie sieht es aktuell bei Rechten, Löhnen und Sichtbarkeit aus?

Frauen verdienen in Deutschland 16 Prozent weniger als Männer. Wir sind aber auch eines der Länder, die in diesem Bereich den höchsten Wert erreichen. Die Sichtbarkeit von Frauen wird weniger. In vielen Ländern sind Frauen stark reglementiert. Ein extremes Beispiel ist Afghanistan. Und bei uns ist es für Männer immer noch sehr bequem, wenn Frauen die Hauptarbeit im Haushalt machen.

Welche konkreten Schritte könnten eine Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern fördern?

Eine gerechtere Aufteilung der Elternzeit würde helfen. Darüber hinaus flexible Arbeitszeiten und mehr Männer in Sorgearbeit. Denn Burnout und Depressionen werden bei über 150 Prozent Leistung in der Woche gefördert.

Haben Frauen heute tatsächlich die gleichen Rechte wie Männer in Deutschland?

Dem Gesetz nach schon. Im Grundgesetz steht: »Männer und Frauen sind gleichberechtigt.« Aber in der Realität ist noch viel Ungleichheit da.

Wo gibt es noch Lücken?

In der Juristerei finde ich. Vor Gericht werden Frauen eher als unglaubwürdig dargestellt. Lücken bestehen zudem bei Führungspositionen in der Wirtschaft und in der Politik, aber auch im Alltag. Frauen bekommen zum Beispiel weniger Kredite als Männer. Ich sage allerdings auch oft: »Frauen sind der Frauen größter Feind.« Warum fordern viele Frauen nur 30 Prozent statt 50 Prozent in allen Bereichen des Lebens?

Welche Barrieren bestehen häufig im Alltag?

In Familien mit Kleinkindern arbeiten Frauen 15 Stunden mehr in der Woche. Das ist zwar nicht als Arbeit definiert, aber organisieren Sie mal einen Haushalt. Das ist Arbeit, die man sich gut teilen könnte.

Welche Rolle spielen da Bildung und Traditionen?

Wir brauchen mehr gendergerechte Bildung abseits von rosa und blau. Jungs spielen immer noch mit Lego, Mädchen mit Barbie-Puppen. Ich hatte damals eine Carrera-Bahn. Diese ganzen Stereotype sind ein wichtiges Thema.

Wie sieht die Situation in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern aus?

Die nordischen Länder sind uns da ein Stück weit voraus. Zum Beispiel in der Kinderbetreuung, aber auch bei Themen wie Inklusion. Auch in den Niederlanden gibt es wunderbare Beispiele, die oft aus einer liberaleren Haltung kommen.

Welche Meilensteine und Persönlichkeiten haben die Gleichberechtigung vorangebracht?

Natürlich Elisabeth Selbert. Ihr verdanken wir, dass Gleichberechtigung im Grundgesetz verankert ist. Dann die Suffragetten, die für die Forderung auf Wahlrecht für Frauen in England ins Gefängnis gingen. Berta Benz hat damals das erste Auto gefahren, nicht ihr Mann. Weitere tolle Frauen sind Coco Chanel, Anna Magdalene Burda und Beate Uhse.

Welche Rolle spielen jüngere Generationen bei diesem Thema?

Bei den Jüngeren zeigt sich die Tendenz, wieder zu Hause zu bleiben. Altersarmut oder finanzielle Freiheit scheinen keine Themen zu sein. Schauen Sie sich mal den Trend der »Tradwives« an. Dabei loben junge Influencerinnen die traditionelle Hausfrau. Tiktok ist für mich ein absolutes Verdummungsportal. Ich bin ein großer Fan von Ausbildung und Studium. Bildung ist ein hohes Gut für ein freibestimmtes Leben. Vielleicht muss die junge Generation aber auch nichts mehr erkämpfen, weil vieles heute eine große Selbstverständlichkeit ist.

Welche Initiativen könnten hier Abhilfe schaffen?

Kinder werden in der frühsten Kindheit sozialisiert: mit Puppen und Autos. In dieser Zeit sollten Möglichkeiten geschaffen werden, alles auszuprobieren. Das kann ein Schlüssel dafür sein, dass Mädchen sich für Autos interessieren und Jungs für Care-Arbeit.

Welche politischen Forderungen sollten jetzt Priorität haben?

Die Förderung von Frauen in politischen Ämtern. Wenn wir Politik für alle Menschen machen wollen, müssen wir auch alle Menschen in die Politik holen.

Welche Rolle spielen Medien bei der Förderung von Gleichberechtigung?

Eine sehr große Rolle. Das Frühstücksfernsehen der privaten Sender zum Beispiel finde ich ganz schlimm: von homophoben Sprüchen bis hin zu den Klamotten. Oder schauen Sie sich an, wie Trump die Medien in den USA kontrolliert.

Welche Bedeutung hat die Vertretung von Frauenrechten im politischen Diskurs gegenüber Parteien wie der AfD?

Ich sehe einen Widerspruch zwischen dem Wahlprogramm und dem persönlichen Leben. Nehmen wir Alice Weidel, Galionsfigur der AfD. Sie lebt mit ihrer Partnerin in der Schweiz und hat zwei Kinder. Das Parteiprogramm beschreibt aber, wie Familie auszusehen hat und vertritt homophobe Positionen. Das gezeichnete Familienbild wird als einzig richtiges angesehen, andere Lebensformen werden verurteilt. Das passt nicht zusammen.

Wie lassen sich frauenpolitische Solidarität und demokratische Werte stärken?

Vorleben ist ein wichtiger Punkt. Aber politische Solidarität ist grundsätzlich sehr schwierig. Es gibt ja diese Steigerungsform: »Feind – Todfeind – Parteifreund«. Die gilt übrigens auch bei Männern.

Welche Tipps können Leserinnen und Leser sofort umsetzen, um Gleichberechtigung zu fördern?

Respekt und Offenheit gegenüber unterschiedlichen Lebensformen haben und unvoreingenommen sein. Und es braucht mehr Frauensolidarität.

Welche Schritte würden Sie empfehlen, um Gleichberechtigung zu einer Realität werden zu lassen?

Bessere Kinderbetreuung, flexiblere Arbeitszeitbedingungen und eine gerechtere Elternzeit-Verteilung.

Wie denken Sie eigentlich über das Gendern?

Ich finde es wichtig, dass alle Geschlechter benannt werden. Bei meiner Anwältin steht unter ihrem Foto auf der Website »Anwalt«. Ich habe den Chef der Kanzlei gefragt, ob es ihm gefallen würde, wenn unter seinem Namen »Anwältin« stehen würde. Er war nicht begeistert.

Und was sagen Sie zur Gerechtigkeit in puncto Wehrpflicht, sollte sie kommen?

Wenn die Wehrpflicht kommt, sollten Frauen genauso angesprochen werden wie Männer.

Möchten Sie zum Abschluss noch eine zentrale Botschaft oder ein inspirierendes Zitat mit auf den Weg geben?

Frauen sollen auf der ganzen Welt selbstbestimmt leben können. Wir fordern 50 Prozent in allen Lebensbereichen. Und ich sage auch immer wieder gerne: Männer spielen Krieg und Frauen retten die Welt.

Karin Frech ist seit 16 Jahren Geschäftsführerin der Fab gGmbH, bei der sie auch zu den Gesellschafterinnen gehört. Darüber hinaus ist sie auch Mitgliedsfrau des Vereins Fab, der ebenfalls zum Gesellschafterinnenkreis gehört. Ihr beruflicher Hintergrund ist kaufmännisch geprägt und begründet ihre ausgeprägte unternehmerische Denkweise. Karin Frech war lange Zeit national und international in Konzernen, aber auch selbständig tätig. Ihre Hobbys sind Bewegung und Sport, Reisen und anderen Kulturen offen zu begegnen. Was sie antreibt: »Allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, ist die wichtigste Motivation für mich. Dafür setze ich mich mit all meiner Kraft ein«, sagt Karin Frech. Die 64-jährige gebürtige Büdingerin ist verheiratet und lebt in Büdingen. Sie hat zwei Kinder und zwei Enkelkinder. VON SVEN SCHÖNING

Quelle: »50 Prozent in allen Lebensbereichen«