Welche Meilensteine und Persönlichkeiten haben die Gleichberechtigung vorangebracht?
Natürlich Elisabeth Selbert. Ihr verdanken wir, dass Gleichberechtigung im Grundgesetz verankert ist. Dann die Suffragetten, die für die Forderung auf Wahlrecht für Frauen in England ins Gefängnis gingen. Berta Benz hat damals das erste Auto gefahren, nicht ihr Mann. Weitere tolle Frauen sind Coco Chanel, Anna Magdalene Burda und Beate Uhse.
Welche Rolle spielen jüngere Generationen bei diesem Thema?
Bei den Jüngeren zeigt sich die Tendenz, wieder zu Hause zu bleiben. Altersarmut oder finanzielle Freiheit scheinen keine Themen zu sein. Schauen Sie sich mal den Trend der »Tradwives« an. Dabei loben junge Influencerinnen die traditionelle Hausfrau. Tiktok ist für mich ein absolutes Verdummungsportal. Ich bin ein großer Fan von Ausbildung und Studium. Bildung ist ein hohes Gut für ein freibestimmtes Leben. Vielleicht muss die junge Generation aber auch nichts mehr erkämpfen, weil vieles heute eine große Selbstverständlichkeit ist.
Welche Initiativen könnten hier Abhilfe schaffen?
Kinder werden in der frühsten Kindheit sozialisiert: mit Puppen und Autos. In dieser Zeit sollten Möglichkeiten geschaffen werden, alles auszuprobieren. Das kann ein Schlüssel dafür sein, dass Mädchen sich für Autos interessieren und Jungs für Care-Arbeit.
Welche politischen Forderungen sollten jetzt Priorität haben?
Die Förderung von Frauen in politischen Ämtern. Wenn wir Politik für alle Menschen machen wollen, müssen wir auch alle Menschen in die Politik holen.
Welche Rolle spielen Medien bei der Förderung von Gleichberechtigung?
Eine sehr große Rolle. Das Frühstücksfernsehen der privaten Sender zum Beispiel finde ich ganz schlimm: von homophoben Sprüchen bis hin zu den Klamotten. Oder schauen Sie sich an, wie Trump die Medien in den USA kontrolliert.
Welche Bedeutung hat die Vertretung von Frauenrechten im politischen Diskurs gegenüber Parteien wie der AfD?
Ich sehe einen Widerspruch zwischen dem Wahlprogramm und dem persönlichen Leben. Nehmen wir Alice Weidel, Galionsfigur der AfD. Sie lebt mit ihrer Partnerin in der Schweiz und hat zwei Kinder. Das Parteiprogramm beschreibt aber, wie Familie auszusehen hat und vertritt homophobe Positionen. Das gezeichnete Familienbild wird als einzig richtiges angesehen, andere Lebensformen werden verurteilt. Das passt nicht zusammen.
Wie lassen sich frauenpolitische Solidarität und demokratische Werte stärken?
Vorleben ist ein wichtiger Punkt. Aber politische Solidarität ist grundsätzlich sehr schwierig. Es gibt ja diese Steigerungsform: »Feind – Todfeind – Parteifreund«. Die gilt übrigens auch bei Männern.
Welche Tipps können Leserinnen und Leser sofort umsetzen, um Gleichberechtigung zu fördern?
Respekt und Offenheit gegenüber unterschiedlichen Lebensformen haben und unvoreingenommen sein. Und es braucht mehr Frauensolidarität.
Welche Schritte würden Sie empfehlen, um Gleichberechtigung zu einer Realität werden zu lassen?
Bessere Kinderbetreuung, flexiblere Arbeitszeitbedingungen und eine gerechtere Elternzeit-Verteilung.
Wie denken Sie eigentlich über das Gendern?
Ich finde es wichtig, dass alle Geschlechter benannt werden. Bei meiner Anwältin steht unter ihrem Foto auf der Website »Anwalt«. Ich habe den Chef der Kanzlei gefragt, ob es ihm gefallen würde, wenn unter seinem Namen »Anwältin« stehen würde. Er war nicht begeistert.
Und was sagen Sie zur Gerechtigkeit in puncto Wehrpflicht, sollte sie kommen?
Wenn die Wehrpflicht kommt, sollten Frauen genauso angesprochen werden wie Männer.
Möchten Sie zum Abschluss noch eine zentrale Botschaft oder ein inspirierendes Zitat mit auf den Weg geben?
Frauen sollen auf der ganzen Welt selbstbestimmt leben können. Wir fordern 50 Prozent in allen Lebensbereichen. Und ich sage auch immer wieder gerne: Männer spielen Krieg und Frauen retten die Welt.
Karin Frech ist seit 16 Jahren Geschäftsführerin der Fab gGmbH, bei der sie auch zu den Gesellschafterinnen gehört. Darüber hinaus ist sie auch Mitgliedsfrau des Vereins Fab, der ebenfalls zum Gesellschafterinnenkreis gehört. Ihr beruflicher Hintergrund ist kaufmännisch geprägt und begründet ihre ausgeprägte unternehmerische Denkweise. Karin Frech war lange Zeit national und international in Konzernen, aber auch selbständig tätig. Ihre Hobbys sind Bewegung und Sport, Reisen und anderen Kulturen offen zu begegnen. Was sie antreibt: »Allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, ist die wichtigste Motivation für mich. Dafür setze ich mich mit all meiner Kraft ein«, sagt Karin Frech. Die 64-jährige gebürtige Büdingerin ist verheiratet und lebt in Büdingen. Sie hat zwei Kinder und zwei Enkelkinder. VON SVEN SCHÖNING